Tag 5 – Ayutthaya

Die Zugtickets sind unfassbar preiswert. 15 Baht für eine zweistündige Fahrt (circa 32 Cent) nach Ayutthaya. Karime freut, dass sich Katrin darüber freut. Anschließend tuckeln wir 2 Stunden in der Holzklasse über's Land. Es ist so heiß, dass meine Beine an den Sitzen festkleben und ich mich 2 Stunden quasi nicht bewege. An jeder Station kommen Händler in den Zug und bieten Snacks an. Wir gucken neidisch auf die Thais, die diese Leckereien identifizieren können. Wir knabbern an unseren Mangos. Am Bahnhof fängt uns direkt eine clevere Hoteldame mit ihrem Pick-Up Wagen weg und fährt uns zu zwei Hotels. Das erste Hotel, das P.U. Inn Ubonpon, ist super, brandneu und hat einen Pool. Wir packen aus. Und erkunden anschließend mit zwei Fahrrädern den Ort. Alte Tempel, haste einen gesehen, kennste sie alle, sagt Karime. Wir halten an einer Elefanten-Zirkus Show. Die Elefanten wackeln mit ihren Ärschen im Takt, machen Handstand und tragen willenlos endlose Mengen an Touristen durch die Gegend. Das Publikum klatscht aufgeregt, doch ich kann meinen Blick nicht von den scharfen, handgroßen Metallkrallen abwenden, welche die Dompteure immer mal wieder in die Hinterteile der Elefanten hacken. Grübelnd höre ich auf Fotos zu schießen. Am späten Nachmittag buchen wir uns eine Bootstour einmal rund um Ayutthayas Zentrum. Ein Tempel, noch ein Tempel, ein ganz alter Tempel. Ich bin geschichtsmüde und fotografiere Katzen. Die Sonne geht unter. Wir bekommen plötzlich einen unfassbaren Hieper auf Naschzeug und räumen den halben Spätkauf leer. Mit Snickers, M&Ms, Schokomilch und Chips bewaffnet geht es zurück in unser schickes Hotel. Karime nickt binnen Minuten auf dem Bett ein. Wir schlafen bis 10 Uhr am nächsten Morgen.

Tag 6 – Uttaradit/Chiang Mai

Ein neuer Zug, ein neues Abenteuer. Wir machen diesen Tag zu einem reinen Reisetag und buchen eine siebenstündige Fahrt in den Norden. Nächster Halt: Uttaradit. Diesmal frösteln wir in der zweiten Klasse. Es werden Kaffee, Wasser mit Eiswürfeln und Kekse gereicht. Kein schlechter Service; wir nehmen die Kekse. Nach circa 2 Stunden qualmt es aus dem Cockpit des Zuges. 2-3 uniformierte Menschen laufen aufgeregt hin und her; wir recken hüstelnd unsere Hälse. Ich weiß bis jetzt nicht, was es nun eigentlich war, aber nach 10 Minuten fahren wir weiter. Diesmal haben wir uns gut mit Essen eingedeckt und mampfen tütenweise gebratene Bananen und Kartoffeln. Gegen 7 Uhr erreichen wir Uttaradit. Es ist stockfinster und wir wollen gleich weiter zum Busbahnhof. Die Taxifahrer wollen uns mal wieder über's Ohr hauen und wir sind mal wieder eingeschnappt. Wir laufen. Ein freundlicher Geschäftsmann hält jedoch am Straßenrand und nach einem kurzen Plausch fährt er uns fix zum Busbahnhof. Seine frisch gebügelten Hemden und der Wäschekorb im Rücksitz wirkten auf uns vertrauenswürdig genug. Gegen 1:30 in der Nacht erreichen wir schließlich Chiang Mai. Die letzten 3 Taxifahrer des leer gefegten Bahnhofs wuseln um unseren Bus und drücken sich an der Scheibe die Nase platt. Als der erste sich auf uns stürzt, verschwinden die anderen sofort im Dunkel der Nacht. Der Fahrer drückt uns einen Hotel-Flyer des Chiang Mai Inn in die Hand. Ein Doppelzimmer für 200 Baht (5 €) die Nacht, im Zentrum. Wir haben nichts zu verlieren und sagen zu. Das Zimmer ist räudig und alt, draußen ist es laut und ein bestimmt exotisch aussehender Vogel (es ist stockfinster) krakelt alle 10 Minuten aus vollem Halse in unser Fenster. Wir verschwinden ohne zu meckern in unsere Schlafsäcke. 6 Stunden später kickt mich Karime aus dem Bett; wir verkrümeln uns so schnell wie wir gekommen sind und machen uns auf die Suche nach einer schickeren Herberge für die kommende Woche, denn das Vollmondfest steht an und wir wollen nicht die ollen Restezimmer.

Tag 7 – Chiang Mai

Nach einem fast zweistündigen Gewaltmarsch und einem halben Dutzend gecheckter Hotels landen wir knappe zweihundert Meter Luftlinie von unserem ersten Hotel auf der Türschwelle des Pao Come Guesthouse. Ein anheimelnder Hof und ein zweistöckiges Holzhaus mit offenen Balkonen grinsen uns an. Unser Blick fällt in die offene Küche und das offene Wohnzimmer mit Flachbildschirm, vor dem diverse Kissen zum lümmeln einladen. Eine private Unterkunft mit liebevoll gepflegten Gästezimmern für 300 Baht (circa 7,50) die Nacht: genau unser Geschmack. Eigentlich wollen wir morgen für 3 Tage nach Pai fahren, doch unsere schlaue Hausmama nimmt keine Reservierungen für das Yee Ping Vollmondfest in einer Woche. Wir buchen das Zimmer kurzerhand für 8 Nächte. So kann es uns keiner mehr wegnehmen, wir können unsere Rucksäcke drei Tage einschließen, Mama Pao Come hat eine Auge auf unser Zimmer. Bonze-mäßig, aber passt. Sie bucht uns später auch den Bus nach Pai; für 180 Baht pro Person werden wir um 9 am nächsten Morgen vor der Tür abgeholt. Thailand, ein touristisches Servicemekka. Den Rest des Tages erkunden wir die Stadt. Das Zentrum ist gespickt mit Gästehäusern und hat trotzdem einen ganz eigenen, ruhigen Charme. Wir schwitzen uns bis zum nächsten Fruchtshake Laden und dichten im Schatten des gemütlichen Ladens eine Ode an unsere frischen Mango-Passionsfrucht und Coconut-Ananas-Minz-Shakes. Heute wird eigentlich nur gegessen. Am Abend geht's zum Inder. Alu Palak (Spinat mit Kartoffeln) – ich fühle mich fast wie zu Hause in Berlin. Vor dem Besuch des berühmten Nachtmarktes beschließe ich mal wieder erfolglos nichts zu kaufen. Noch bevor wir den Markt überhaupt erreichen, bin ich stolzer Besitzer einer bunten Mütze, mit der ich in Berlin locker als Orthodoxe durchgehe und eines neuen 60 l Rucksacks von North Face in lila. Der ist bestimmt total "echt", aber 650 Baht (knapp 16 Euro) klingen in den Ohren eines Rucksackjunkies wie süßer Fahrstuhl-Jazz – schön und ungefährlich. Karime lernt nun eine neue Seite von mir kennen: In unserem Zimmer packe ich geschlagene 1,5 Stunden Klamotten für 4 Tage in meinen neuen Rucksack. Brandneue Rucksäcke, Ranzen, Federtaschen zu bepacken – das habe ich als Kind schon unfassbar gern gemacht. Und diese am nächsten Tag zu nehmen und loszuziehen. Großartig.

Tag 8 – Pai

Um 9:30 holt uns das Tuktuk zum Pai-Bus ab. Wir werden von 2 fröhlichen, frisch verkaterten Holländerinnen begrüßt, die sich bereits etwas vor den berüchtigten Serpentinen nach Pai gruseln. Nicht umsonst werden aus Pai gern Postkarten von kotzenden Strichmännchen verschickt. Wir wurden gestern Nacht von Steffi und Andi aus München mit Reisetabletten und reichlich Pai-Tips eingedeckt und haben vorsorglich bereits jeder eine Pille im Magen. Diese Dinger machen unfassbar müde. Wir verschlafen fast die gesamte Fahrt. In Pai suchen wir schnurstracks das von Steffi und Andi empfohlene Baan Pai Riverside – eine kleine Siedlung von Bambushütten zwischen Fluss und Reisfeldern. Es ist Liebe auf den ersten Blick. Unser kleine Bambushütte begrüßt uns mit Hängematte, in der Karime 5 Minuten später wegdöst, einem großen Bambusbett inklusive Moskitonetz und einem eigenen Bad mit warmer Dusche. Alles ist sehr luftig und einladend für Moskitos, Kakerlaken und anderes Getier, doch wer denkt schon an sowas in Pai. Das Örtchen ist schon lang kein Geheimtipp mehr bei hippie-esk veranlagten Rucksackreisenden. Umgeben von Wasserfällen, heißen Quellen, Fledermaushöhlen, Reisfeldern, Palmenhainen und Bergen, auf deren Hängen sattgrüner Dschungel hochkriecht, lockt das beschauliche Pai mit einer perfekten touristischen Infrastruktur. Die Marktstraße wird jeden Abend zum Sonnenuntergang zur autofreien Fußgängerzone auf der barfüßige Europäer, Amis, Israelis, Australier und Neuseeländer in breiten Hippiehosen, mit Arm- und Haarbändern und tribalen Tattoos auf Schultern und Rücken herumschlendern, Cocktails schlürfen, Tee aus Bambusrohren trinken oder in Bananenblätter eingewickelte Eierkuchen naschen. Die Zeit vergeht ganz langsam und hinter den Kulissen hat auch die örtliche Polizei längst mitgeschnitten, dass die westlichen Touris auch gern noch andere Dinge naschen, Space Mushrooms zum Beispiel, und leider auch noch härtere Drogen. Wir verbringen unsere ersten Stunden entspannt auf der Veranda unseres neuen Lieblingsbungalos. Karime döst, ich schaue dem Bauer bei der Reisernte zu und fühle mich ganz entspannt, während dieser vermutlich bis zu den Knien im Schweiß steht. Aus dem Lautprecher des buddhistischen Tempels um die Ecke ertönt die Tagespredigt. Am Abend buchen wir uns noch einen privaten Fahrer für den nächsten Morgen. Wir wollen in den heißen Quellen baden, Terassenfelder sehen und einen Wasserfall besuchen. Vor dem Schlafengehen begrüßt mich eine große Kakerlake im Bad. Natur, Natur, Natur – ich schließe schnell die Tür und hoffe, dass das dicke Ding weg ist, wenn ich sie wieder öffne. Ist sie auch. Alles ist so einfach in Pai.

Tag 9 – Pai

Wir kriechen um 8 Uhr aus unserem Moskitonetz und zum Frühstück. Auf den vorbereiteten Tellern liegen zwei kleine Wiener und ein Spiegelei, dazu gibt es Toast mit Butter und Marmelade. Die Butter ist gezuckert und knirscht zwischen den Zähnen. Wir stellen die halbvollen Teller zurück und schleichen uns davon. Unser Guide lädt uns Punkt 9 in seinen Pickup und hält zwei Minuten später vor einem Reisfeld. Auf Karimes Stirn leuchtet ein großes Fragezeichen. Wir dachten mehr so an Terrassenfelder, wir verwöhnten Touristen, wir wollen Thailand so, wie wir uns das vorstellen. Gibt es hier nicht, nur weit, weit weg, erklärt uns der Guide. Kostet 500 Baht extra. Zähneknirschend sagen wir zu. Zunächst geht es jedoch erstmal zu den heißen Quellen. Im Nationalpark vor den Toren Pais blubbert uns aus 80°C heißen Quellen ein fauliger Duft entgegen. Auf einem Schild steht "no boil eggs". Die frischen Eierschalen auf dem Boden zeigen, dass sich da wohl nicht jeder dran hält. Etwas weiter den Hang herunter sind die Quellen angenehm runtergekühlt. Wir schlüpfen aus unseren Klamotten und in die heiße Brühe. Ich mache mich zum Deppen als ich voller Überzeugung den anderen Gästen erkläre, hier drin wären es 60° und dabei vor dem 36° Schild sitze. Ich versuche die Blamage auf eine Liane wegzuschaukeln. Der Magen will nun sein ordentliches Frühstück. Ich überrede den Fahrer an einem Straßenimbiss zu halten und lade ihn auf eine Portion gebratenen Eierreis und Hühnchen ein. Ich habe wieder mein neues grünes Lieblings-Gemüse, Kale genannt, mit Reis auf dem Teller. Das Gemüse kommt frisch aus dem Garten, zwischen unseren Beinen hüpfen die nichtsahnenden Hühner hin und her. Ländliches Thailand pur. Unser zielstrebiges Fotografenauge sucht nun nach terrassierten Reisfeldern. 15 Minuten später haben wir das erste entdeckt. Wir trampeln über das halb abgeerntete Feld zum ahnungslosen Bauern, den wir auch sogleich davon überzeugen, dass er heute von uns portraitiert werden möchte. In der brutalen Mittagssonne halte ich dem liebenswürdigen Mann unseren harten Blitz ins Gesicht. Zufrieden und dankbar schleppen wir uns zurück ins Auto. Mein Schädel brennt. Unser Fahrer hält nun auf einem Aussichtspunkt. Ich schieße Bilder von Karime und bemerke plötzlich dutzende schwarze Fliegen auf meinen Beinen, die ich zunächst mit einer unaufmerksamen Bewegung wegwedele. Fünf Minuten später habe ich über 60 blutige Bisse und Blutblasen auf Ober- und Unterschenkeln. Später erklärt mir die Apothekerin, dass diese schwarzen Fliegen hier Koon genannt werden - fiese blutsaugende Mistviecher heißt das sicher übersetzt - aber nicht gefährlich sein. Es könnte jucken. Supi, ich seh aus, als hätte ich eine Hautkrankheit. Zum Glück habe ich eine lange Hose dabei. Die Fliegenbisse verderben mir leider den Wasserfall, da ich mich gelinde gesagt ein wenig schäme. Mit sonnenverprügelter Matschebirne und rotgepunkteten, juckenden Beinen schlendern ich mit Karime abends wieder durch die autofreie Fressmeile von Pai. Wir treffen den französischen Jeremie aus dem Bus wieder, der uns begeistert erzählt, wie toll er unser das Video unserer Band Team Sabotage findet und mein Ego wieder glücklich streichelt. Im Bungalow begrüßt mich unsere Hauskakerlake. Diesmal trete ich ihr mutig entgegen und trampel vor ihr rum, bis sie in einer Wandritze verschwindet – der Ritze zu unserem Schlafzimmer. Schnurstracks packe ich alle auf dem Boden herumliegenden Klamotten in den Rucksack und verschwinde unterm Moskitonetz. Gute Nacht Pai.


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